Lord Byron - John William Polidori
Der Vampyr
(Ripper Records)

Captain Blitz urteilt:

Lord Byron und Doktor Polidori (Joachim Tennstedt und Andreas Fröhlich) treten gemeinsam eine Reise an, die sie in die Schweiz, genauer gesagt an den Genfer See führt. Dort kommt es zum Treffen einer illustren Gesellschaft, bestehend aus Percy Shelley (Santiago Ziesmer), seine Geliebte Mary (Anna Carlsson) und deren Stiefschwester Claire (Dorette Hugo). Gemeinsam macht man sich einen Spass daraus Polidori zu ärgern, in zu quälen und wenn man ihn mal in Ruhe lässt, dann denkt man sich Geschichten aus...und was für welche! Wahre Klassiker der Gruselliteratur, doch dahinter stecken traurige Schicksale.

- Meinung -

Bei dieser Produktion handelt es sich nicht um ein Gruselhörspiel, soviel sei vorweg schon gesagt, viel mehr ist es ein Drama, welches die einzelnen Schicksale der Charaktere der Literaturgeschichte beleuchtet. Dies sollte dennoch nicht als Manko gedeutet werden, denn die Geschichte ist atmosphärisch sehr dicht, man fiebert mit den einzelnen Figuren mit (ob man nun Byron die Pest an den Hals oder Polidori Ruhm und Ansehen wünscht) und verfolgt gebannt deren Schicksale. Vor allem muss man sich die ganze Zeit vor Augen halten, dass es sich hier um Personen dreht, die es tatsächlich gab und die wahre Ikonen der Gruselliteratur sind. So wird dem Hörspiel zusätzlich noch ein realistischer Anstrich verpasst, der für weitere Spannung sorgt. Man kann also festhalten, dass das Hörspiel über 2 Stunden kurzweilige Unterhaltung bietet und ohne jegliche Länge auskommt.

Es sind "nur" sieben Sprecher, die sich die Ehre geben, doch die haben es in sich und bis in die kleinste Rolle werden große Namen "gefeatured". Den Großteil des Hörspiels (trotz langer Erzählparts ist es das) tragen Joachim Tennstedt und Andreas Fröhlich auf ihren Schultern bzw. Stimmbändern. Wie sie den Hörer in den Bann ziehen ist phänomenal und man kann jetzt schon sagen, dass die beiden sich mit dieser Produktion in den Kreis der Kandidaten zum Hörspiel-Award 2004 gespielt haben. Einer von beiden könnte das Rennen machen, denn es wird für die Konkurrenz sehr schwer und viele hochkarätige Hörspiele von diesem Kaliber werden in diesem Jahr auch nicht mehr erscheinen, die Chancen stehen also sehr gut. Der Rest der Besetzung verkommt zwar nicht zu Statisten, doch gegen Fröhlich und Tennstedt und Fröhlich bleiben sie blass, was aber weniger an ihren Leistungen liegt, viel mehr an der Größe ihrer Rollen. Ein Opfer einer zu kleinen Rolle ist vor allem Timmo "Frodo" Niesner, der hier und da nur einen Kommentar in Richtung schwächelden Polidori ablässt, doch damit hat es sich leider auch schon. Da ist er endlich mal in einem Hörspiel bei und dann ist sein Auftritt derartig kurz, nahezu reine Verschwendung. Anders sieht es da für Santiago Ziesmer aus, er spricht wunderbar den Speichellecker des Lord Byrons, Percy Shelley. Man mag vor dem Hören meinen, dass "Spongebob" nicht in ein derartiges Hörspiel passt, doch weit gefehlt. Er hat mit seinem Auftritt in Gabriel Burns Nr. 6, dass er auch in düstereren Produktionen mitwirken kann und hier macht er das ebenfalls wieder hervorragend. Ihm zur Seite steht Anna Carlsson, die man aus einigen Hörspielen Sven Strickers kennen dürfte und sie setzt mal wieder ihr ganzes Können unter beweis, indem sie glaubhaft die schüchterne Mary Wollstonecraft-Godwin, also die spätere Mary Shelley, verköpert. In weiteren Rollen hört man noch die Damen Dorette Hugo und Marianne Groß, die ihren Kollegen und Kolleginnen in nichts nachstehen und sich ebenfalls keine Blöße geben. Ihren kurzen Auftritten hauchen sie noch genug Leben ein und hinterlassen einen sehr ordentlichen Eindruck.

Jan-Peter Pflug ist wieder für die Musik verantwortlich und auch hier löst er seine Aufgabe erstklassig. Düstere, unheilschwangere Klänge sorgen für die perfekte Atmosphäre, kombiniert mit den passenden Effekten und schon meint man höchstpersönlich beim Treffen am Genfer See dabei zu sein. Trotz allem werden die Stücke und die begleitenden Geräusche nicht unbedingt in einem wahren Overkill verwendet (also nicht wie bei John Sinclair), sondern wohldosiert, so dass diese auch eine richtige Bedeutung haben und nicht nur eingesetzt werden, damit es an allen Ecken und Enden kracht, damit die Fehler der Story überdeckt werden. Nein, hier ist es eher so, dass man sehr bewusst die diversen Szenen untermalt hat, wenn es auch Sinn macht. Keine Effektorgie, dafür eine sehr dichte Atmosphäre, die auch mit relativ wenig Geräuschen auskommt.

Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Produktionen aus dem Hause Ripper Records kommt der Vampyr in einer Jewel-Case daher, was wohl auch an der Tatsache liegen könnte, dass es sich diesmal um eine Doppel-CD handelt. Das Design ist wieder recht schlicht gehalten und vor allem dominiert die schwarze Farbe, wie es auch nicht anders zu erwarten war. Das Booklet ist informativ, bietet Einblick in das Leben der beiden Hauptcharaktere und so kann man mit ein wenig Vorwissen in das Hörspiel gehen, aber Vorsicht ist geboten...es wird heftig gespoilert!

Über zwei Stunden hervorragend inszenierte Unterhaltung aus dem Hause Ripper Records und man wird erneut alles andere als enttäuscht sein. Frank Gustavus hat sich nicht lumpen lassen und wieder mal einen Kandidaten für mehrere Hörspiel-Awards ins Rennen geschickt, den sich Freunde düsterer Hörspiele auf gar keinen Fall entgehen lassen sollten. Eine tolle Story, eine dichte Atmosphäre, glänzend aufgelegte Sprecher und Sprecherinnen, dazu eine erstklassige Untermalung und das alles wird noch von einem ansprechenden Design umhüllt. Kann man wirklich noch mehr verlangen? Hier kann der geneigte Fan ruhigen Gewissens seine 19,95 Euro investieren und sich sicher sein, dass er für sein Geld auch ordentliche Qualität bekommt. Hier muss einfach eine deutliche Kaufempfehlung ausgesprochen werden!

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