Was hat es mit dem sogenannten "Navidson Record" auf sich, dem Video, das Will Navidson (Wolfram Koch) in seinem Haus gedreht hat? Kann ein Haus im Inneren größer sein, als es seine Mauern eigentlich überhaupt zulassen könnten? Alles deutet darauf hin, dass dies bei Navidsons Haus definitiv der Fall ist. Wie kann das sein? Was steckt dahinter? Was lauert in den Gemäuern? Kann Navidson all diese Rätsel lösen und wenn ja, auf wessen Kosten und wie hoch werden diese sein?
- Meinung -
Das Buch sorgte schon für einigen Wirbel, wurde ausgezeichnet und galt eigentlich als unvertonbar, doch das sollte den WDR nicht davon abhalten, sich doch an die Arbeit zu machen und Mark Z. Danielewskis "House of Leaves" in ein Hörspiel umzuwandeln. Genauer gesagt handelt es sich dabei aber nicht nur um ein Hörspiel, sondern gleich um deren drei. Um der Komplexität der Vorlage gerecht zu werden, hat man jeder der drei Handlungsebenen ein eigenes Hörspiel spendiert und das hat die Story auch dringend nötig und absolut verdient. "Das Haus" ist keine 08/15-Gruselmär, bei der es lediglich um ein Haus geht, in dem ein Geist, Dämon oder sonstiges Ungeheuer lauert, viel mehr ist das Gemäuer sowas wie die personifizierte Angst, vor der Kälte, vor dem Unbekannten, vor der Dunkelheit, vor unlösbaren Rätseln und Aufgaben, vor mangelnder Liebe, eigentlich die allgemeine Angst, die Menschen empfinden können. Die definitive Interpretation des Stoffes dürfte es wohl kaum geben, denn ich gehe einfach mal davon aus, dass das Haus für jeden Hörer eine eigene und andere Interpretation zu bieten hat und das macht auch den großen Reiz dieser Geschichte aus. Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken, da man sich stets auf andere Pfade durch das Hörspiel begeben kann. Mal geht man den direkten Weg nacheinander durch die drei Ebenen, dann gönnt man sich einen vorgegebenen Pfad, der an den entscheidenden Stellen zwischen den Ebenen hin und her springt oder man kann sich völlig frei bewegen und selber entscheiden, wann man die Ebenen wechseln möchte, der DVD sei Dank! Eine genaue Spielzeit lässt sich deshalb auch nicht angeben, auch wenn die Hörspiele einzeln eine zwischen 50 und 60 Minuten laufen, doch aufgrund der zahlreichen Hörpfade und die nahezu unzähligen Abspielmöglichkeiten ergeben sich daraus zig Stunden Gesamtspielzeit. Abschließend lässt sich über den inhaltlichen Bereich sagen, dass es sich hier nicht um ein gewöhnliches Hörspiel handelt, das man nach den üblichen Kriterien bewerten sollte, wie sie auf kommerzielle Produktionen zutreffen. "Das Haus" ist viel mehr eine Erfahrung, die jeder für sich machen sollte und man dürfte dann schnell merken, dass man hier eine Achterbahnfahrt der Empfindungen und Gefühle durchmacht. Vorbereiten kann man sich darauf nicht, aber man sollte in gewisser Weise schon wissen, worauf man sich hier einlässt!
Die Sprecher tragen hier nicht einfach nur den Text vor, sie spielen ihn, wie das Making of, das sich ebenfalls auf der DVD befindet, eindrucksvoll beweist. Wolfram Koch geht als Will Navidson mit bestem Beispiel voran, läuft er beim Sprechen durch Katakomben und Gänge, intensiver kann man diese Rolle wohl nicht präsentieren und das gestaltet die gesamte Geschichte und Produktion deutlich glaubwürdiger, auch wenn sie rein fiktiv ist. Doch davon merkt man hier rein gar nichts, so mitreißend werden die zahlreichen Charaktere hier präsentiert. Interessanterweise wurde jede Ebene von einem anderen Regisseur inszeniert, lediglich die Besetzungen sind gleich geblieben, was aber natürlich auch nur eine logische Konsequenz ist. Nichts wäre seltsamer, als wenn hier plötzlich die Hauptcharaktere auf jeder Ebene von einem anderen Sprecher präsentiert worden wären, das hätte die ganze Angelegenheit nur unnötigerweise noch komplizierter gestaltet. Claudia Johanna Leist, Jörg Schlüter und Martin Zylka haben ihre Riegen absolut im Griff und nicht nur der bereits erwähnte Wolfram Koch läuft hier zur Höchstform auch, auch seine Kolleginnen und Kollegen trumpfen groß auf. Tom Schilling hat mich ebenfalls beeindruckt, wie er den innerlich zerrissenen Johnny Truant spricht, das ist unglaublich stark. Doch auch Sascha Icks, Anna Thalbach, Christian Redl und weitere leisten Großes und leben ihre Rollen regelrecht. Etwas schwer tat ich mich aber mit Roberto Ciullis Auftritt, der zwar von der Stimme her zur Figur Zampanos passen mag und dessen Akzent überzeugend spricht, dennoch fällt das Zuhören sehr anstrengend aus und man hat so seine Probleme, ihm auf Dauer zu lauschen. Insgesamt kann man diesem Bereich der Produktion nur ein sehr hohes Niveau attestieren, die Sprecherleistungen sind wirklich klasse, ein großes Lob an alle Beteiligten.
Die drei Hörspiele sind auch von drei verschiedenen Komponisten untermalt worden, so hat jeder Teil einen ganz eigenen Klang, doch jeder Ebene wurde genau der richtige Sound verliehen. Besonders beklemmend und bedrückend kommen der erste und der dritte Teil rüber, da diese im Haus an sich spielen und man spürt diese unglaubliche Kälte des Gemäuers, nicht gerade selten bekommt man eine Gänsehaut, in der Hinsicht wurde alles richtig gemacht. Thom Kubli, Rainer Quade und Andreas Bick leisten hier jedenfallsganze Arbeit, an der es nicht mal ansatzweise etwas zu bemängeln oder zu kritisieren gibt. Der Sound ist satt, man hat stets das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein und auch dadurch wirkt das Hörspiel so intensiv.
Die DVD wird nicht einfach nur in einem Digipak oder einer typischen Hülle ausgeliefert, wie man sie von Filmen kennen dürfte, hier hat man sich beim DAV etwas ganz Besonderes ausgedacht. Als Verpackung wurde ein Moleskine-Notizbuch ausgewählt, das also vom Format her ungefähr einer DVD-Hülle gleicht, aber auch tatsächlich als Notizbuch genutzt werden kann. Beim Durchblättern wird man Auszüge aus der Vorlage entdecken, die einen kurzen Einblick in die komplexe Art und Weise gewähren, wie das Buch geschrieben wurde. Dazu kann man auch noch seine eigenen Notizen machen und im Rücken befindet sich ein kleines "Fach", in dem sich die DVD befindet. Sehr edel, es wird was für das Auge geboten und die Aufmachung wird dem Hörspiel an sich absolut gerecht.
Wie gesagt, mehr Erfahrung als "nur" ein Hörspiel und man kann allen Beteiligten zur Adaption nur gratulieren, denn hier hat man Mut und Können bewiesen und ein angeblich unvertonbares Buch gekonnt umgesetzt und eine sehr gute Produktion kreiert. Das Hörspiel wird sicherlich für jeden etwas sein, dafür ist sie nämlich unglaublich komplex und speziell, das typische 08/15-Gruselhörspiel wird hier jedenfalls nicht präsentiert. Dafür ein düsterer Trip in die Urängste, den man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man sich denn überhaupt traut!
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